Berlin, du bist so wunderbar... Oder: Keine Sorge, "Berlin bleibt Berlin".

Berlin ist spitze - vor allem beim Benzinklau, beim Fahrraddiebstahl, den Bildungsausgaben, der Arbeitslosigkeit ... Das ist nicht allein Wowereits Verdienst, sondern das einer ganz großen Koalition aus SPD, CDU, Grünen und Linkspartei.

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Was tun die Menschen nicht alles um ins Guiness Buch der Rekorde zu kommen?

In meiner Stadt kann ich mich entspannt in Prenzelberg ins Café setzen (wenn ich nicht tourimäßig oder schwabenmäßig wirke). Die Rekordjagd erledigt Berlin für mich. Mit immer neue Disziplinen, in denen die Stadt allen Mitbewerbern davonläuft.

Seit der Benzinpreis dank diverser Steuertricks immer unerträglicher wird, wurde Benzinklau zum Volkssport. Wer ist Spitze? Berlin natürlich. Während im Schnitt in Deutschland jede Tankstelle 7 mal pro Jahr beklaut wird ist in Berlin jede Tankstelle im Schnitt 25 "dran". Ja, wir sind super beim Superklau!

Berlin rühmt sich als Stadt der Fahrradfahrer. Zu Recht, denn auch hier hält die Stadt gleich zwei einsame Rekorde: Man ist einsame Spitze beim Fahrradklau und Schlusslicht bei der Aufklärung. Zwei Rekorde, die nur wohl durch ein Zusammenwirken von Dieben und Polizei möglich wurden. Währen im Bundesschnitt über 9% aller Fahrraddiebstähle aufgeklärt wurden, waren es in Berlin nur 4,3%.

Vielleicht trägt zum kriminellen Leistungsklima ja auch ein anderer Rekord bei: Wir sind wieder einmal die größten Bildungsmuffel im Lande, oder Schlusslicht im Bildungsmonitor. Ein Titel, der um so mehr wiegt, als er gegen harte Konkurrenz 2014 verteidigt werden konnte. Es ist wirklich der Wahnsinn, wie wir Rekorde einheimsen. Denn nach eigenen Angaben ist Berlin auch bei den BildungsAUSGABEN Spitze. Das muss man erst mal schaffen! Mehr Geld für Bildung als alle anderen Länder ausgeben, und damit die schlechtesten Ergebnisse erzielen. Das ist geniale Rekord-Politik.

Kein Tag vergeht, an dem nicht auch in Berlin mehr Zuwanderung gefordert wird, um unbesetzte Arbeitsplätze aufzufüllen. Nirgends ist deshalb die Willkommenskultur weiter entwickelt als bei uns (sogar Schulen und Plätze werden großzügig möglichen "Zuwanderern" überlassen und bewacht). Und die Stadt boomt, erfahren wir. Da muss die Politik schon einiges tun (oder nicht tun) um die Pool-Position bei der Arbeitslosigkeit zu verteidigen. Den Spitzenplatz bei der Arbeitslosigkeit lassen wir uns (wohl) niemals streitig machen.

Jede Berliner Bevölkerungsgruppe ist bei der Rekordjagd gefordert. Auch die Beamten und Angestellten des Öffentlichen Dienstes legen sich ins Zeug: Bei den Krankmeldungen. Sie fehlten an über 37 Tagen im Jahr - umgerechnet als etwa ZWEI MONATE! Ein hart erkämpfter Spitzenplatz.

Und wem verdanken wir diese Spitzenpositionen? Es ist ungerecht das ganze Verdienst Klaus Wowereit zuzuschreiben, der seit kurzem den Rekord als unbeliebtester Politiker hält. Aber ebenso ungerecht wäre es, jetzt das Schlimmste zu befürchten. Dass Berlin seine Spitzenpositionen einbüßen könnte. Diese Ergebnisse  waren nicht nur die Leistung unseres zurückgetretenen Wowies. Sie sind  der Erfolg langjähriger Bemühungen von SPD, Grünen, CDU und Linkspartei. In der Stadt und den Bezirken. Und die werden weiter ihr Bestes geben. Vielen Dank auch! Berlin bleibt doch Berlin.

Hier das berühmte Lied...

youtu.be/kxo87XI4vwQ

Zuerst erschienen auf lyrikheute.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Andreas Schneider

So "zugereist" ist mein Bekannter nicht, als dass ihm dieses "Wühlmaus-Paradies" nicht bereits aus anderen (Ruhrgebiets-)Städten bekannt gewesen wäre.

Haften geblieben ist bei ihm hingegen der Eindruck eines heillosen Chaos - und das war es , was aus seinem Blickwinkel Berlin von den bis dato bekannten Städten abhob. Bei aller Betriebsamkeit erschienen die Arbeiten an anderen Orten offenbar zielgerichteter.

Gravatar: MicroHirn

Oh ja, hier drehen sich fleißig die Baukräne, Baugruben-Slalom ist Standard und manchmal großräumige Absperrung weil ein Bagger unerwartet ein 'Kläng Kläng'-Geräusch fabrizierte und das Bombenräumkommando kommen muß. Der Ur-Berliner scheint das stoisch hinzunehmen, als Zugereister begreift man dieses Wühlmaus-Paradies nicht ganz.

Gravatar: Andreas Schneider

Ich habe Berlin nie persönlich kennen gelernt. Die "Welthauptstadt des Kalten Krieges" (so John le Carré in seinem seiner Bücher) war jedoch meine Wahl, als Anfang 1978 meine gymnasiale Jahrgangsstufe 12 über das Ziel der anstehenden Klassenfahrt abstimmte. Letztlich machte Rom das Rennen, und diese Wahl hat mich mein Leben lang gefuchst: zu dieser Zeit hatte Berlin tatsächlich einen Sonderstatus in einer absonderlich anmutenden Weltordnung. Und ein westdeutscher Abiturient, so dachte ich (wie auch heute noch), musste einfach einmal dort gewesen sein, um die politischen Schlagworte der Jugend wie "Mauer", "Todesstreifen", "Checkpoint Charlie" usw. nicht nur als inhaltsleere Begrifflichkeiten erfasst zu haben. Nun ja, ich habe Pech gehabt, wurde ich doch deutlich überstimmt.

Heute zieht mich dort nichts mehr hin. Berlin mag "wunderbar" sein, aber das empfindet ein Kölner von seiner Heimatstadt ebenso, wie ich seit meinem Zuzug vor gut 6 Jahren mit schöner Regelmäßigkeit feststellen muss. Berlin ist halt ein Stück weit größer, aber bietet es deswegen tatsächlich einen Mehrwert gegenüber anderen deutschen Städten?

Die letzte persönliche Anmerkung zu Berlin aus meinem näheren Dunstkreis stammt von einem Bekannten, der 1995 aus geschäftlichen Gründen einige Tage dort zu tun hatte. Er, Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens in einem ländlichen Raum, berichtete mit offenkundiger Fassungslosigkeit von dem enormen Bauvolumen, das er beobachtet hatte. "Kein normaler Mensch kann wirklich und wahrhaftig den Überblick behalten, wer da wo für was baut. Da werden zig Milliarden versenkt!" Und das dies nur den Teilaspekt des Bauens betreffe, so sehe er nunmehr seine frühere Zustimmung zum Konzept "Hauptstadt Berlin" mit völlig anderen Augen.

Beinahe prophetische Worte aus heutiger Sicht, nicht wahr? Und das von einem "Dummen vom Lande".

Gravatar: MicroHirn

Letzt auf der Alt-Moabit:

Ältere Dame von britischen Touristen nach dem Weg gefragt.

Antwort:
'I'm not from here. I hate Berlin'

Verdutzte Gesichter bei den Touris, breites Grinsen auf meinem Gesicht.

Bin froh wenn auch ich demnächst wieder meine Koffer packen darf. Nur wech!

Gravatar: Giselher Suhr

Eine sehr lesenswerte Analyse, die ich um Eines ergänzen möchte: Jahrzehnte lang konnte man in Berlin (wg. B-Status) nicht zum Wehrdienst gezogen werden. Auch das trug dazu bei, dass sich ein ganz bestimmtes Klientel von der Frontstadt angezogen fühlte.

Gravatar: qed

Berlin war immer etwas Besonderes: 'Berliner' zu sein, war schon bald ein Beruf und früh schon entdeckte dieser, daß es sich auch ohne Arbeit gut leben läßt, denn er war immer eine Art Pulsschlag der Zeit- das adelt. Dem Tschingdarassabumm der Kaiserzeit folgten rasch die roten Fahnenmeere im Wedding der Weimarer Republik, selbstredend war das rote Märtyrertum in Berlin heimisch und die rote Hilfe gewährte großzügig Stütze, die bei so manch Wackeren bald zum zweiten Gehalt wurde. Ernsthafte Konkurrenz erwuchs den internationalen durch die nationalen Sozialisten, die ihre Aufmarschierer überaus üppig entlohnten und im Schicksalsjahr 1933 geschah Wundersames, was bis heute schamhaft verschwiegen wird: Innerhalb weniger Wochen war das rote Fahnenmehr im Wedding einem braunen gewichen und unsere Arbeiter probten den Stechschritt, wenn wir den Überlieferungen von Altkommunisten glauben, die die Knäste Weimars, die KZs, den Gulag und dann noch Bautzen überlebt haben.
Im Westfälischen gab es wenig später einen treffenden Kinderreim: 'Lieber Bomber fliege weiter, fliege weiter nach Berlin, dort hammse alle JA geschrien'...

Und erst die Nachkriegszeit- da schöpfte man aus dem Vollen! Zum Kultobjekt der Freiheit erhoben, floss das Geld in Strömen, Arbeitskräfte mußten aus dem Westen importiert werden, alldieweil Berliner keine Zeit dazu hatten und den Bruder Kennedy hochleben ließen und Herr Fram zur Ikone aufstieg; was Wunder, daß die 68er im entspannten Schlaraffenklima Berlins weit weg von der Arbeit erblühten und weil Kommunismus eine Zeit lang dort out war, zu Melonen mutierten- außen grün, innen rot. Senatens sorgten für alle und das Sauseleben ging frivol weiter, nachdem die Geschäftsgrundlage, die Mauer geschleift wurde: Nitschewo, was macht das schon, Aufbauaufbauaufbau, Prunk und Protz- man war halt schon immer bedeutend und 60 MRD Schulden neben den üppigen Transfers in wenigen Jahren aufzutürmen, ist wirklich eine Leistung, die nur noch vom neuen Fluchhafen getoppt wird.
Der Journalist Jürgen Elsässer bringt Berlin auf den Punkt:
"Während es in Bundesrepublik und DDR früher noch die legendären „Berufe“ gab, hielt man sich in West-Berlin schon zu Mauerzeiten vorzugsweise mit „Jobs“ über Wasser. Die Schrumpfform davon sind die „Projekte“, in denen man heutzutage versackt, meist ohne mehr als ein Taschengeld zu verdienen. Sinnbild der maroden Wowi-Jahre ist die flächendeckende Durchsetzung des sogenannten Wegbieres in der Hauptstadt: Weil die Masse der Arbeitslosen nicht genug Penunze hat, um in eine Kneipe zu gehen, holt man sich den Alkohol möglichst billig am Kiosk und kippt sich beim Gehen oder in der U-Bahn zu.Volkswirtschaftlich ist Berlin schnell erklärt. Die eine Hälfte hat keine Arbeit, die andere ist zumeist auf der Flucht vor ihr. Von denen, die noch in Lohn und Brot stehen, betreibt höchstens ein Viertel Wertschöpfung. Diese werden Schwaben genannt und entsprechend verachtet. Der Rest steht hinter irgendeiner Laden- oder Kneipentheke oder hält sich mit vergleichsweise harmloser Kleinkriminalität über Wasser: bisschen jobben, bisschen stehlen, ansonsten in Cafés rumlungern. Weil man bei diesen Aktivitäten heutzutage nicht mehr Zigaretten dreht, sondern am Laptop herumspielt, werden die Schnorrer vornehm als “digitale Bohème” bezeichnet."
Die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als sie:
http://juergenelsaesser.wordpress.com/2014/08/26/nicht-arm-und-nicht-sexy-wowi-fluchtet/

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