Beichte und Barmherzigkeit: Zwei Seiten derselben Medaille

Am Leben Jesu wird deutlich: Beichte und Barmherzigkeit verlieren ohne Bezug zueinander ihre wahre Bedeutung.

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„Jesus [macht] eine allen offene Liebe sichtbar: Niemand ist davon ausgeschlossen!“ Dieser Kernsatz steht gleich am Anfang der Katechese vom 06.04.2016, mit der der Papst den Übergang von den Betrachtungen des alten Testaments zu den Evangelien vollzieht. Mit seinen Worte dekliniert der Papst weiter den Begriff der Barmherzigkeit durch, und während es in den letzten Wochen um die Beschreibungen des angeblich an Barmherzigkeit armen Alten Testaments ging, geht er nun auf das Zeugnis Jesu ein. „Ja, das Evangelium ist tatsächlich das „Evangelium der Barmherzigkeit“, denn Jesus ist die Barmherzigkeit!“ (Zitate hier wie im Folgenden von Zenit).

In einem kurzen Abriss macht der Papst deutlich, was er mit den Worten „Evangelium der Barmherzigkeit“ meint. Dabei wird deutlich, dass man den Charakterzug der Barmherzigkeit vom Beginn seines Wirkens bis zu seinem Kreuzestod beobachten kann. Alles, was es dafür braucht, ist ein übergreifender Blick, der die jeweiligen Situationen in diesen Kontext setzt. Das beginnt schon mit der Taufe durch Johannes im Jordan, die Jesus nutzt, um seine Verbundenheit mit den Kleinen, den Ausgestoßenen, auch den Sündern deutlich zu machen. Und er hätte auch einen anderen Beginn seines Wirkens, einen öffentlichkeitswirksameren oder auch standesgemäßeren Weg wählen können – hat er aber nicht:

So zeigt er sich der Welt nicht im Glanz des Tempels: Er hätte dies tun können. Er ließ sich nicht durch großes Getöne ankündigen: Er hätte es tun können. Ebenso kam er nicht im Gewand eines Richters: Er hätte es tun können. Stattdessen begab sich Jesus nach einem dreißigjährigen Leben im Verborgenen in Nazareth mit vielen Leuten seines Volkes an den Jordan und reihte sich unter die Sünder. Er schämte sich nicht: Er war mit allen dort; mit den Sündern, um sich taufen zu lassen. Daher zeigte er sich vom Beginn seines Amtes an als Messias, der sich aus Solidarität und Mitgefühl des menschlichen Daseins annimmt.

Ich selbst muss mir dabei immer wieder bewusst machen, dass Jesus tatsächlich Gott ist und nicht gesündigt hat – er war nicht verpflichtet zu einer solchen Solidarität mit den Sündern. Und auch wenn es ausreichend Hinweise von ihm gibt, was als Sünde einzuschätzen ist, so geht diese Defintion doch nicht mit einer finalen Verurteilung einher. Jeder hat die Möglichkeit der Umkehr – das ist der Grund, warum sich Jesus eben den Menschen, den Sündern zuwendet, die diese Umkehr nötig haben. Diese Zuwendung zu den Geringen, dieses Leben mit den Sündern, so eigenartig es uns für den Gott erscheinen mag, ist doch in sich logisch … wenn man anerkennt, dass Jesus die Barmherzigkeit ist, wie es der Papst tut.

Gerade unter diesem Gesichtspunkt lohnt es sich, die Evangelien zu betrachten. Denn all sein Handeln entspringt letztlich der Sehnsucht Jesu, uns zu sich zu rufen, uns zu lieben. Oder wie der Papst es sagt:

Alles, was Jesus nach der Taufe vollbracht hat, war die Verwirklichung des anfänglichen Plans: allen die rettende Liebe Gottes zu bringen. Jesus hat nicht Hass und Feindschaft überbracht, sondern die Liebe! Eine große Liebe, ein offenes Herz für alle, für uns alle! Eine Liebe, die rettet!

Und dieser Plan findet seine Vollendung am Kreuz, auf das er unsere Sünden trägt, um sie uns zu vergeben. Der Satz „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ betrifft uns insofern alle. Wenn man davon ausgeht, dass es die größte Sünde darstellt, den Sohn Gottes ans Kreuz zu bringen, dann gilt der Aufruf zur Barmherzigkeit sicher auch für uns:

Wir können das große Geheimnis dieser Liebe mit noch größerer Klarheit betrachten, indem wir unseren Blick dem gekreuzigten Jesus zuwenden. Als sein Tod als Unschuldiger für uns Sünder kurz bevorstand, betete er zum Vater: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Am Kreuz zeigt Jesus der Barmherzigkeit des Vaters die Sünde der Welt: die Sünde aller, meine Sünden, deine Sünden, eure Sünden. Dort am Kreuz führt er sie dem Vater vor Augen.

Das scheint mir ein nachvollziehbares aber auch dramatisches Bild: Jesus zeigt seinem Vater am Kreuz auch meine Sünden, begangen 2000 Jahre später – und er bittet für mich um Vergebung, die auch gewährt wird. Ich weiß, dass mancher solche Formulierungen wieder als Schuldzentrierungen begreift, aber das ist ein Missverständnis: Es ist die Erlösungszentrierung, die Jesus dazu gebracht hat, sich zu opfern für unsere Sünden.

Hier wie auch in den früheren Betrachtungen oder in seinem Interviewbuch macht der Papst aber auch deutlich, dass Gott die Gnade der Barmherzigkeit zwar verschenkt, wir sie aber auch annehmen müssen. Und das bedeutet wiederum, sich der eigenen Schuld bewusst werden und sie in der Beichte vor den Herrn tragen. Aber gerade das macht auch mir oft Schwierigkeiten: Die Verfehlungen der anderen zu sehen, das ist schon mal einfach. Meine eigenen zu erkennen, ist schon schwieriger. Einmal erkannt diese aber vor dem Herrn zu bekennen, mich in den Beichtstuhl zu knien und dem Herrn zu zeigen „das ist es, was du dem Vater am Kreuz gezeigt hast“, das fällt am schwersten. Bin ich der Vergebung wert? Dabei sollte die Antwort für einen Christen leicht sein: Ich war die Vergebung in den Augen Jesu schon wert, als er mich vom Kreuz aus angesehen hat!

Wir dürfen uns daher nicht davor fürchten, uns als Sünder anzuerkennen und um Vergebung zu bitten, denn jede Sünde wurde vom Sohn am Kreuz getragen. Und wenn wir uns in der Beichte ihm anvertrauen, sind wir gewiss, dass wir Vergebung empfangen. Das Sakrament der Versöhnung macht für uns alle die vom Kreuz ausgehende Kraft der Vergebung aktuell und erneuert in unserem Leben die Gnade der Barmherzigkeit, die Jesus für uns erlangt hat! Wir dürfen uns nicht vor unserem Elend fürchten: ein jeder von uns ist davon betroffen. Die Kraft der Liebe des Gekreuzigten kennt keine Hindernisse und versiegt niemals. Und diese Barmherzigkeit löscht unser Elend aus.

Kraftvollere Plädoyers für die Beichte als die des Papstes hört man leider sehr selten. Kraftvollere Aussagen über die Barmherzigkeit Gottes leider auch. Beides in Verbinung zu setzen, was dazu führt, dass einerseits die Beichte nicht als Marterinstrument gesehen wird und dass andererseits Barmherzigkeit nicht zur Beliebigkeit mutiert, das scheint mir auf Ebene von Bischöfen und Papst derzeit allerdings ein Alleinstellungsmerkmal von Papst Franziskus.

Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Joachim Datko

Den angeblichen Wunderheiler hat es nicht gegeben, die mystischen Geschichten um ihn sind nicht authentisch.

Die abrahamitische Gottesvorstellung der Juden, Christen und Mohammedaner ist abstrus. Man denke nur an die mystische Geschichte von der Vernichtung Sodoms und Gomorrhas. Da hätte der abrahamitische Gott viel zu "beichten".

Die abrahamitischen Religionen haben viel Unheil über die Menschheit gebracht.

Ich bin gerne bereit, eine Lanze gegen die abrahamitische Gottesvorstellung zu brechen.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

Gravatar: Thomas Rießler

Oh je! Jetzt ist's schon wieder aus mit dem guten Vorsatz, Bibelstellen über die Zeichen Jesu zu lesen und zu betrachten. Jetzt werden statt dessen wieder die honigsüßen Aussagen von Papa Franziskus verarbeitet. Was den einen Mutti Merkel ist, das ist Papa Franziskus für die anderen.

Die Pharisäer hatten ebenfalls keinen blassen Schimmer davon, mit wem sie es bei Jesus zu tun hatten: „Jesus sagte zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben; denn von Gott bin ich ausgegangen und gekommen. Ich bin nicht in meinem eigenen Namen gekommen, sondern er hat mich gesandt. Warum versteht ihr nicht, was ich sage? Weil ihr nicht imstande seid, mein Wort zu hören. Ihr habt den Teufel zum Vater und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an. Und er steht nicht in der Wahrheit; denn es ist keine Wahrheit in ihm. Wenn er lügt, sagt er das, was aus ihm selbst kommt; denn er ist ein Lügner und ist der Vater der Lüge. Mir aber glaubt ihr nicht, weil ich die Wahrheit sage. Wer von euch kann mir eine Sünde nachweisen? Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht? Wer aus Gott ist, hört die Worte Gottes; ihr hört sie deshalb nicht, weil ihr nicht aus Gott seid.“

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