Bauernopfer für Olympia

"Bauernland in Sportlerhand" fordert Ulrich Hottelet tiefsinnig im Cicero. Doch mit halbseidenen Allgemeinwohlargumenten lässt sich willkürliche Enteignung für die Olympiade 2018 nicht begründen.

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"Bauernland in Sportlerhand" betitelt Ulrich Hottelet im Magazin Cicero seinen Aufruf zur Enteignung von bayrischen Bauern zur Beglückung des deutschen Volkes mit den den olympischen Winterspielen 2018. Dabei dürfte die verbale Anleihe am Slogan "Junkerland in Bauernhand", unter dem in den Jahren 1945 bis 1948  in der damaligen sowjetischen Besatzungszone eine beispiellose Enteignungskampagne mit dramatischen Folgen für die ehemaligen Eigentümer  und die ostdeutsche Landwirtschaft durchgeprügelt wurde, nicht unbeabsichtigt sein. Diesmal sind es 59 Garmischer Bauern, die ihren Grund und Boden nicht freiwillig für das olympische Spektakel räumen wollen. Weil aber der Autor der Meinung ist, dass die Olympiade mehr als nur ein Werbeinstrument, sondern auch ein Multiplikator für Tourismus, Wirtschaft und Arbeitsplätze sei und überdies 60 Prozent der Deutschen die Olympia 2018 in München und Garmisch-Partenkirchen unterstützen, müsse man dem Vorbild der sowjetischen Besatzer und ostdeutschen Kommunisten folgen und unter dem neuen Slogan "Bauernland in Sportlerhand" wieder zum Mittel der Enteignung greifen. Was jedoch ist dran an dieser Argumentation, die einen Journalisten dazu bewegen die Grundprinzipien unseres Rechtsstaats aushebeln zu wollen und dies auch noch mit dem Verweis auf die Allgemeinwohlverpflichtung des Eigentums im Grundgesetz zu begründen?

Zunächst wird argumentiert, dass die Verweigerungshaltung der Bauern die Demokratie ad absurdum führen würde, wo doch laut einer ARD-Umfrage mehr als die Hälfte der Deutschen für die Olympiade seien. Man darf den Autor daran erinnern, dass eine repräsentative Demokratie darauf angelegt ist, dass zwar die Mehrheit über die Regeln des kollektiven Miteinander bestimmt, diese jedoch vom Staat gerade so angewandt werden, dass sie dem Einzelnen Schutz vor der Mehrheit gewährleisten. Es ist ein Wesensmerkmal des demokratischen Staates, die Rechte des Einzelnen gegenüber dem Kollektiv gemäß seiner verfassungsmäßigen Grundrechte zu verteidigen. Übel bestellt wäre es um unsere Demokratie, würde eine nicht repräsentative Umfrage unter einer an den Konsequenzen einer Entscheidung nicht beteiligten Personengruppe den Vorwand für einen Eingriff in die verfassungsmäßigen Grundrechte der Menschen liefern können. Ob die Anwendung von Artikel 14, Abs. 3 des Grundgesetzes, in dem die Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit geregelt ist, hier angemessen ist kann schwerlich allein daran bemessen werden, dass ein Umfrageergebnis für oder gegen etwas votiert.

Dazu widmen wir uns zunächst der Frage nach der Allgemeinwohlbegründung einer Olympiabewerbung für 2018. Eine Megaveranstaltung soll es sein, die zugleich Werbung und Wirtschaftsfaktor ist. Eben deshalb zieht die Allgemeinwohlbegründung hier nicht, denn alles, was die Durchführung der Olympiade ausmacht lässt sich von Unternehmen wirtschaftlich verwerten, kommt also der Allgemeinheit nicht ohne eine finanzielle Gegenleistung zu Gute. Da werden Eintrittskarten für die Wettkämpfe verkauft, Werbeverträge  mit Sportlern und Veranstaltern abgeschlossen und Übertragungsrechte zu Geld gemacht. Selbst der Durchschnittsdeutsche drückt bei der GEZ Geld dafür ab, dass er sich in den abendlichen Nachrichten über die Wettkampfergebnisse informieren kann. Wenn hier also über Enteignung gesprochen wird, dann geht es dem Kommentator offenbar darum, dass die wirtschaftlichen Profiteure der Olympiade möglichst viel Gewinn aus den Wettkämpfen schlagen, ohne für die Kosten der betroffenen Landwirte gerade stehen zu müssen. Wenn die Olympiade so ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor ist, dann dürfte es ein Leichtes sein, sich mit den Bauern gütlich gegen eine entsprechende Bezahlung über die Nutzungsrechte des Eigentums zu einigen.

Doch ist die Austragung einer Olympiade überhaupt der behauptete Wirtschaftsfaktor, der abgesehen von kurzfristigen Effekten den Deutschen langfristige Erträge bringt? Natürlich gibt es temporäre Nachfrageeffekte, wenn tausende Sportfans die umliegenden Hotels bevölkern, Dienstleistungen rund um die Durchführung der Spiele geleistet werden und die Bürger wieder einmal zu den Fernsehbildschirmen der neusten Generation greifen. Doch dadurch wird die deutsche Wirtschaft nicht dauerhaft produktiver, einmal abgesehen von den Produktivitätsverlusten, die mit der Olympiarecherche am Arbeitsplatz und dem Blaumachen auf dem Skihügel verbunden sind. Zwar werden vorab gewaltige öffentliche Investitionen in Sportstadien und Infrastruktur getätigt, doch handelt dabei um eine Umlenkung von Volksvermögen in die Taschen ohnehin schwerreicher Sportler, Veranstaltungs- und Medienunternehmen sowie anderer Prominenter, die sich ihre Anwesenheit an Skipisten, Bobbahnen und Schanzen mit Werbeeinnahmen vergolden lassen. Baut man das Ganze nur für das Strohfeuer Olympiade ist eine spätere Auslastung nicht garantiert, so dass von einer wirklich sinnvollen Investition der Mittel nicht auszugehen ist. Schon gar nicht, wenn das Ganze so knapp kalkuliert ist, dass eine angemessene Vergütung der Eigentümer des benötigten Grund- und Bodens zu einem Problem für die Investoren zu werden scheint. Wenn die Allgemeinheit etwas von der Olympiade hat, dann sind es die Kosten entgangener wirtschaftlicher Alternativen der Nutzung für die Olympiade notwendiger Arbeitskräfte und anderweitiger Produktionsfaktoren, die das staatliche Engagement durch das bedingungslose Durchboxen dieser Veranstaltung verursacht.

Geradezu hanebüchen ist das Argument, die Bedenken der Bauern bezüglich des Naturschutzes wären hinfällig, da die Olympiade ja ohnehin irgendwo stattfinden müsse und so oder so der Natur zu Leibe rückte. Man kann nur hoffen, dass die Grundbesitzer in anderen Bewerberländern nicht auch Gefahr laufen sich staatlicher Gewalt beugen zu müssen und am Ende ohne Kompensation für die ökologischen Schäden ihrer Ländereien dastehen. Die Bauern können am besten beurteilen, welche Schäden eine Skipiste für die langfristige Bewirtschaftung ihres Bodens verursacht. Dafür sollten die Nutznießer der baulichen Maßnahmen für die Olympiade gerade stehen, egal ob der Schaden sonst anderswo entstehen würde. Kosten sind Kosten und sie lassen sich nicht dadurch wegreden, dass irgendjemand anders sie im Zweifel auch ignorieren würde. Kein Deut besser ist der Verweis auf die Nachhaltigkeit und Klimaneutralität der Olympiade, die man mit Plus-Energie-Olympiadörfern erreichen will. Die Spatzen pfeifen von den Dächern, dass eine Siedlung, die allein für ein olympisches Strohfeuer errichtet wird, niemals klimaneutral sein kann, egal ob man sie nun mit Solartechnik und Dämmmaterialen voll stopft oder nicht. Fakt ist, dass man mit dem Geld, dass der Plus-Energie-Standard verschlingt, anderswo weit mehr Treibhausgasminderungen zu deutlich niedrigeren Kosten finanzieren könnte. Hier liegen die Treibhausgasvermeidungskosten bei einem Vielfachen dessen, was die Emissionsminderung etwa in der konventionellen Energiewirtschaft verursacht. Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind daher nicht gerade die Stärke der Olympiabewerbung, ganz abgesehen davon, dass mit dem Präparieren der Pisten mit Sicherheit der eine oder andere Baum als Klimagasspeicher gefällt werden muss und die Bodenbearbeitung erhebliche Mengen von Treibhausgasen entweichen lässt.

Natürlich geht es den Bauern ums Geld, möchte man Herrn Hottelet entgegnen, denn nur mit Geld kann man den Bauern die Nutzung ihres Eigentums bezahlen.  Ihnen steht laut Grundgesetz auch dessen Nutzung nach eigenem Gutdünken zu, solange es nicht dem Allgemeinwohl zuwider läuft. Wenn sie sich gegen eine Vereinnahmung der Natur auf ihrem Eigentum durch die wirtschaftliche Verwertung durch die Sportindustrie wehren, dann kommen sie dieser Forderung des Gesetzgebers auf jeden Fall nach. Ums Geld geht es schließlich auch dem Veranstalter, der sich zwar die Olympiaeinnahmen einstecken will, aber nicht bereit ist die Betroffenen angemessen an den Gewinnen zu beteiligen. Das Grundrecht auf Eigentum und dessen Nutzung ist zu wertvoll als dass wir es dem Hype um die Olympiabewerbung 2018 opfern sollten. Noch verteidigt Deutschland Platz 14 im globalen Länderranking in der Kategorie Rechtsstaat und Schutz von Eigentumsrechten (Economic Freedom of the World Report 2010). Dank der Ambitionen von Herrn Hottelet und einiger Regionalpolitiker besteht jedoch die Gefahr, dass wir uns bald ein paar Plätze tiefer wiederfinden, mit all den damit verbundenen negativen Konsequenzen. Völlig verarmte Länder wie Simbabwe zeigen uns eindrucksvoll, was geschieht, wenn Eigentumsrechte nicht das Papier wert sind, auf dem sie beurkundet wurden.

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