Auf in die Inflationsunion

Die Wähler in NRW haben sich gegen die Sparpolitik entschieden. Mit der jetzt ausgestellten Ermächtigung für neue Schulden haben sie sich völlig rational verhalten. Den Titel des letzten Akts kann man leicht erraten.

 

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Vor einer Woche haben sich die Wähler in Griechenland und Frankreich mehrheitlich gegen „zu viel sparen“ entschieden. Gestern entschieden die Wähler von Nordrhein-Westfalen, des viertgrößten Landes der Eurozone, ebenso. Zwar hatten wir selten einen Wahlkampf, der so von Persönlichkeiten bestimmt war, wie der in Nordrhein-Westfalen, und das Votum, da sind sich alle einig, war eins für Hannelore Kraft und gegen Norbert Röttgen. Es wäre aber fahrlässig, es bei dieser Analyse zu belassen, denn es gab in NRW auch ein alles beherrschendes Sachthema: die galoppierende Verschuldung des Landes.

Die CDU und ihr Norbert Röttgen erinnerte immer wieder daran, dass die noch amtierende rot-grüne Landesregierung einen Haushalt eingebracht hatte, der sogar vom Landesverfassungsgericht wegen exzessiver Schuldenmacherei für ungesetzlich erklärt wurde. Christian Lindners FDP zog nicht mehr mit „weniger Steuern“, sondern mit „neue Wahlen statt neuer Schulden“ in den Wahlkampf. Die SPD machte es umgekehrt und ging mit mehr „mehr Schulden“ in die Schlacht. Frau Kraft fand dafür die kühne Begründung, dass für vorbeugende Maßnahmen getrost neue Schulden gemacht werden dürfen.

Dass die Wähler der Südländer und Frankreichs für neue Schulden votieren würden, war schon deshalb keine Überraschung, weil sie in der Eurozone mehrfach die Erfahrung machen konnten, dass sie diese nicht allein bezahlen mussten. Drohten sich die Schulden der Südländer über ihren Bürgern in einem Wolkenbruch zu entladen, spannten die Nordländer für sie diverse Rettungsschirme auf und hielten sie auf dem Trockenen.

Im Bühnenstück „Euro “ kam im ersten Akt die „Währungsunion“ zur Aufführung. Mit den inszenierten Rettungsaktionen mutierte diese im zweiten Akt zur „Transferunion“. In NRW geht jetzt der Vorhang auf zum dritten Akt auf. Mit der jetzt für die Landesregierung in NRW ausgestellten Ermächtigung für neue Schulden haben sich die Wähler in NRW völlig rational verhalten. „Warum“, so die Logik, „sollen ausgerechnet wir die einzigen sein, die sich Sparprogramme auferlegen, wenn wir die finanziellen Lasten aus gebrochenen Sparversprechen anderer tragen sollen?“ Dieser Akt trägt den Titel: „Schuldenunion“.

Jetzt ist kein Halten mehr. SPD und Grüne wollen, so wie Franzosen, Griechen, Portugiesen und Spanier auch, „wachstumsfördernde Elemente“ im Fiskalpakt, was im Klartext die Rücknahme der im Gegenzug für deutsche Bürgschaften gegebene Sparzusagen bedeutet. Sogar der deutsche (!) Finanz(!)minister plädiert für eine kräftige Erhöhung der (in der Eurozone immer noch dritthöchsten) Löhne der deutschen Arbeitnehmer. Den Titel des letzten Akts des Stückes kann man leicht erraten: „Inflationsunion“.

Es sei denn, jemand springt auf die Bühne und beendet das Theater. Was stattdessen zur Aufführung gebracht werden sollte, ist von mir mit dem Titel „Nord-Euro“ schon oft genug beschrieben worden.

Beitrag erschien zuerst auf handelsblatt.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: N.N.

@Leser
Der zweite Grund, den Sie nennen, leuchtet mir am meisten ein.

Gravatar: b.hönl

..dachte, dass in NRW die Partei der Vernunft auch zur Wahl stand? Oder irre ich mich da ?

Gravatar: Freigeist

Bei allen Problemen: Es muss ein Wachstumsmotor her. Prozyklisch führt zur Depression. Jetzt sind neue Konzepte für Wachstum gefragt, am besten Binnenwachstum.

Gravatar: Astan

Ich stelle aber auch die Frage, ob sich verantwortungsvolle Haushaltspolitik noch rechnet wenn man davon ausgeht, dass der ESM sowieso kommt. Warum sollte man mehr sparen als andere wenn niemand mehr davon ausgeht, jemals die Schulden zurückzuzahlen.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

@Klimax & FDominicus:"Nein, eine Partei der aufrichtigen Absicht, Schulden zurückzuführen, stand in NRW überhaupt nicht zur Wahl." Doch, eine solche Partei stand zur Wahl: die Partei der Vernunft.

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