Auf dem Weg in den Synodalismus

Wir werden auch in Deutschland nicht umhin kommen, uns mit den Folgen des päpstlichen Postulats einer synodalen Kirche auseinander zu setzen. Man kann jeden deutschen Priester oder Laien verstehen, der diesen Schritt des Vertrauens und des Glaubens nur mit einer Gänsehaut des Gruselns geht.

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So gehen wir denn jetzt diesen Weg. Der Papst hat für das dritte Jahrtausend der Kirche einen synodalen Weg verordnet. Der Papst spricht von einer synodalen Kirche des Hörens. Er baut für diesen Weg auf den sensus fidei des Gottesvolkes. Die Ortskirchen sollen gestärkt werden. Von der Bistumssynode über die Nationalsynode bis hin zur weltweiten Bischofssynode will der Papst der gesamten Kirche einen synodalen Weg verordnen.

Dabei ist zu bedenken, daß der Papst selber aus einer Kirche kommt, die als junge Kirche diese synodale Tradition tief verinnerlicht hat. Als Kardinal Bergoglio hat er mit ca. 600 Bischöfen am Dokument von Aparecedia gearbeitet, daß im Jahr 2007 als Basisdokument für die Kirche in Lateinamerika und der Karibik verabschiedet wurde.  Insgesamt ist die Kirche in Lateinamerika sehr viel dynamischer, basisorientierter und last not least auch synodaler verfaßt. Der Bischof einer lateinamerikanischen Diözese ist ein Bischof zum Anfassen. Er läßt sich nicht in der Limousine vorfahren und entschwebt in selbiger nach absolviertem Termin schleunigst wieder. Der Bischof in Lateinamerika, aber auch in Afrika und Ozeanien ist mitten unter dem Volk zu finden und hat die Stimme der Gläubigen im Ohr.

Wenn man die Papstansprache beim Festakt zum 50. jährigen Bestehen der Bischofssynode liest und als Deutscher oder Westeuropäer das kalte Grausen bekommt, dann sollte man unbedingt diesen Hintergrund des Papstes mit denken. Der Papst will, daß die Bischöfe die Stimme des Gottesvolkes hören. Der Papst will, daß alle gemeinsam Bischöfe und Volk auf die Stimme Gottes hören. So sollen die Gemeinden im Gebet und in der Beratung hören, was der Geist den Gemeinden sagt.

Schon öfter konnte man den Eindruck gewinnen, daß Papst Franziskus den europäischen Traditionen mit großer Nichtachtung begegnet. Ein monarchisches Papstamt lehnt der rigoros ab. Die traditionelle Ästhetik der römischen Kirche ist ihm ebenso zuwider wie die traditionellen Arbeitsweisen der Kurie, die er immer wieder geflissentlich ignoriert (und zuweilen auch brüskiert). Die Weigerung im apostolischen Palast zu wohnen spricht eine beredte Sprache. Mitten während der Synode bricht er aus und besucht ein Obdachlosenheim. Diese Ausbrüche haben Symbolcharakter.

So bricht nun der Papst auch aus der in den vergangenen Jahrhunderten europäisch geprägten Weise der Kirchenführung aus und ruft ein Zeitalter der Synodalität aus. Die jungen Kirchen – insbesondere in Afrika und Lateinamerika – werden es ihm danken. Auch in Osteuropa kann man sich eine echte kirchliche Synodalität wirklich sehr gut vorstellen. Man kann sie sich im Grunde überall dort vorstellen, wo die Kirche wirklich eine arme Kirche der Armen ist. Man kann sie sich dort vorstellen, wo – ähnlich der frühen Kirche in Europa – die Katholiken sich in Gemeinschaft der Gläubigen auf den Weg machen, ihr Leben aus dem Glauben zu durchdringen. Das und nichts anderes ist es, was der Papst mit seinem Aufruf zu einer synodalen Kirche will. Es spricht im Grunde aus jeder Zeile seiner Rede.

Kardinal Marx hat recht, wenn er bei dieser Ansprache von einer historischen Rede spricht. Wir werden auch in Deutschland nicht umhin kommen, uns mit den Folgen dieses Postulats einer synodalen Kirche auseinander zu setzen. Man hört im Hintergrund die Sektkorken im Haus des ZdK in Bonn schon knallen. Nie war man einer Neuauflage der Würzburger Synode näher als heute. Die Forderungen nach einer nationalen Synode, die vom Vorsitzenden der DBK am Ende des Dialogprozeß noch zurück gewiesen worden sind, erhalten nun neue Nahrung. Und wenn der Papst schon in einer historischen Ansprache die Synodalität der Kirche betont, ist man doch gerne wieder eine Filiale Roms.

Im Grunde wäre das ein Grund zur Freude. Hurra, die Bischöfe wollen hören, was die Gläubigen denken, welche Sorgen und Nöte ihren Alltag prägen. Katholiken sind in Westeuropa in eine Minderheitssituation geraten. Leere Kirchen an Sonntagen, Bedeutungsschwund des christlichen Glaubens im Alltag, in der Politik und nicht zuletzt in der Wirtschaft, stehen im engen Zusammenhang zu einer einzig funktionalen Ethik der Nützlichkeitserwägungen. Gendermainstreaming und die daraus folgenden politischen Weichenstellungen bringen Gläubige in Bedrängnis. Bistümer horten Milliardenvermögen, während Gemeinden vor Ort aus Geldmangel Kirchen und Pfarrhäuser verkaufen müssen. Man könnte diese Liste noch länger fortsetzen.

Es gäbe Grund genug, daß die Gläubigen das Gehör ihre Hirten fänden. Doch die Türen der Bischofshäuser öffnen sich nicht für sie. Politiker und Funktionäre haben das Ohr der Bischöfe und es werden Politiker und Funktionäre sein, die den Weg einer nationalen Synode in Deutschland bestimmen würden. Völlig zu recht also könnte einen deutschen Katholiken bei der Ankündigung des Papstes das kalte Grausen packen. Aber sind wir denn so ängstlich? Haben wir kein Vertrauen in den Heiligen Geist, der die Kirche lenkt? So sehr man verstehen kann, welch Grausen einen erwartete, käme es zu einer deutschen Nationalsynode, so sehr muß man den Blick weiten, um die Glaubenskraft der gesamten Kirche zu sehen. Denn eines sollte klar sein: Ein solches Zeugnis, wie es Anca-Maria Cerna in Rom gegeben hat, gibt es eben auch auf einer Synode.

Es ist nicht auszuschließen, daß der Weg in die Synodalität der Kirche ein Zeitalter des Synodalismus äquivalent zum mittelalterlichen Konziliarismus auslöst. Eines jedoch dürfte klar sein, der Papst stellt mit seinem Aufruf zur Synodalität den alten westeuropäischen Kirchen ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Allein schon die Tatsache, daß wir es für möglich oder sogar wahrscheinlich halten, mit einer synodalen Kirche eine Protestantisierung auszulösen, zeigt schon die schwache Verfassung der Kirche in Deutschland und Westeuropa. Der Papst geht das Risiko ein, weil er weiß, daß Gott seine Kirche nicht verläßt. Man kann allerdings jeden deutschen Priester oder Laien verstehen, der diesen Schritt des Vertrauens und des Glaubens nur mit einer Gänsehaut des Gruselns geht.

Wir leben in interessanten Zeiten …

Zuerst erschienen auf katholon.de

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