Armut, Flüchtlinge, christliche Nächstenliebe und Prioritäten des Staates

Die Aufgabe des Staates ist es, Prioritäten zu setzen. Es gibt sehr viel Armut in Deutschland. Welchen Menschen sollte der Staat zuerst helfen?

Veröffentlicht:
von

Der Staat setzt immer schon Prioritäten. Er bestimmt, welchen Menschen geholfen wird und welchen nicht. Das gilt allerdings nicht nur für den Staat, sondern generell: Wir setzen immer schon Prioritäten. Auch diejenigen, die behaupten, allen Hilfsbedürftigen sollte geholfen werden, setzen Prioritäten, denn sie können faktisch nicht allen Hilfsbedürftigen helfen. Sie helfen nur bestimmten Hilfsbedürftigen oder einer bestimmten Gruppe von Hilfsbedürftigen. Andere Hilfsbedürftige oder andere Gruppen von Hilfsbedürftigen schließen sie bei ihrer Hilfeleistung aus.

Es gibt sehr viel Armut in Deutschland. In meiner Stadt Frankfurt am Main sehe ich von Jahr zu Jahr immer mehr Obdachlose und Bettler (übrigens in überwältigender Mehrheit Männer), immer mehr deklassierte, arme, verwahrloste, alkohol- und drogenabhängige sowie psychisch gestörte Menschen (übrigens in überwältigender Mehrheit junge Männer). Viele von ihnen finden eine Bleibe in den U-Bahnen der Stadt.

Über die Kriminalität in Frankfurt, die zum größten Teil eine Folge der sozialen Verhältnisse ist, möchte ich an dieser Stelle lieber gar nichts schreiben.

Jedes Mal wenn ich durch die Stadt gehe, sehe ich an fast jeder Ecke die Flaschensammler. Darunter sehr viele ältere Menschen, Rentner, deren Rente dafür nicht ausreicht, den Lebensunterhalt zu finanzieren. Manchmal spreche ich diese Menschen an und frage sie nach ihrer Lebenssituation. In vielen Fällen reicht die Rente dafür nicht aus, die notwendigen Medikamente zu bezahlen.

Untersuchungen belegen, dass immer mehr Menschen in Deutschland unter dem Existenzminimum leben, dass es immer mehr Kinder- und Altersarmut gibt. Die Schere zwischen arm und reich wird immer größer. Es gibt immer mehr soziale Missstände und Ungerechtigkeiten. Es fehlt hier der Platz dafür, alle (sozialen) Missstände, die es in Deutschland gibt, aufzuzählen.

Angesichts dieser katastrophalen Situation stellt sich die Frage:

Sollte der Staat nicht zuerst den oben genannten Menschen helfen, die oben genannten Missstände beseitigen und erst dann – wenn Ressourcen noch vorhanden sind – Flüchtlinge aufnehmen und ihnen helfen?

Oft wird im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise an das Gewissen von Christen und von allen durch unsere christliche Zivilisation geprägten Menschen appelliert: Es ist die Pflicht der Christen, anderen Menschen, dem Nächsten zu helfen. Ich bin nicht gläubig und auch kein Mitglied einer Kirche, besitze aber basale Kenntnisse der christlichen (katholischen) Soziallehre.

Ein Christ soll seinem Nächsten helfen. Das bedeutet, dass er zuerst den Menschen aus seinem unmittelbaren Umfeld helfen sollte. Beispiel: Eltern sind dazu aufgerufen, zuerst für ihre eigenen Kinder zu sorgen. Erst wenn sie für ihre eigenen Kinder gesorgt haben, könnten sie – wenn Zeit und Ressourcen noch vorhanden sind – fremden Kindern helfen.

Christen sind demnach dazu aufgerufen, zuerst den Menschen aus ihrem unmittelbaren Umfeld zu helfen. Erst nachdem sie diese Pflicht getan haben, könnten sie – wenn Wille, Zeit und Ressourcen vorhanden sind – Menschen helfen, die nicht zu ihrem unmittelbaren Umfeld gehören.

Die Aufgabe des Staates ist es, Prioritäten zu setzen. Er setzt wie alle anderen sozialen Akteure immer schon Prioritäten. Doch welche Prioritäten sollte er angesichts der Armut, der sozialen Missstände und der Ungerechtigkeiten in Deutschland auf der einen und der Flüchtlingskrise auf der anderen Seite setzen?

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Dr. Alexander Ulfig

@ Wolfgang Lieberknecht

Sie haben meinen Artikel offensichtlich nicht ganz gelesen. Ich schreibe von Prioritäten: Wir setzen immer schon Prioritäten. Auch Sie Herr Lieberknecht setzen immer schon Prioritäten; Sie können nicht ALLEN Hilfsbedürftigen helfen; wenn Sie Hilfsbedürftigen helfen, dann helfen Sie bestimmten Hilfsbedürftigen oder Gruppen von Hilfsbedürftigen, andere Hilfsbedürftige oder Gruppen von Hilfsbedürftigen schließen Sie bei Ihrer Hilfeleistung aus (Exklusion).
Ich schreibe nicht, dass man den Flüchtlingen nicht helfen sollte, ich schreibe, dass man zuerst die oben genannten Missstände beseitigen sollte, und ERST DANN Flüchtlingen helfen könnte.

Gravatar: Thomas Rießler

Welche Prioritäten ein Staat setzt, hängt zunächst mal von seinem Typ ab. Dies mag banal klingen, wird aber erfahrungsgemäß kaum berücksichtigt. Man geht ja hierzulande in der Regel davon aus, dass man in einem demokratischen Rechtsstaat lebt und vergleicht dann aktuelle politische Ereignisse mit diesem Staatsmodell, was allerdings nach meiner Einschätzung speziell seit der Wiedervereinigung in zunehmendem Maße zu Widersprüchen führt. Das Modell des demokratischen Rechtsstaats scheint mir nicht mehr so recht zu den aktuellen politischen Entwicklungen zu passen.
Besonders Grotesk wird die Situation, wenn sich Staatsfunktionäre bei ihren fortgesetzten Rechtsbrüchen im Bereich der illegalen Zuwanderung auf die christliche Nächstenliebe berufen, um ihr Tun zu rechtfertigen. Dabei betonen sie ansonsten immer wieder die strikte Trennung von Staat und Religion und sehen es als eine Errungenschaft der Moderne an, dass der christliche Glaube aus dem öffentlichen Raum verdrängt worden ist und z.B. Kindermord als Abtreibung nach Belieben betrieben werden kann. Bei passender Gelegenheit wird aber anscheinend immer noch ein wenig Religion aus der Mottenkiste hervorgeholt.
Was die christliche Nächstenliebe anbetrifft, wurde dieses Gebot an die gläubigen Menschen und nicht an den Staat gerichtet. Zwar ist der Staat gemäß Paulus Dienerin Gottes und ein gehorsamer gläubiger Mensch daher Untertan des Staates. Allerdings kann auch ein Staat als Diener Gottes auf Abwege geraten. Paulus hat den Römerbrief wahrscheinlich vor dem Einsetzen der Christenverfolgung im römischen Reich geschrieben. In der Offenbarung des Johannes tritt ein sehr viel negativeres Staatswesen in Erscheinung, dem man nicht mehr gehorsam sein soll. Es ist also alles nicht so einfach.

Gravatar: Klaus Kolbe

Korrektur

Natürlich muß es heißen: Herr Ulfig statt Ulbig.
Ich bitte diesen Tippfehler zu entschuldigen.

Gravatar: Klaus Kolbe

Wenn das, was Sie geschrieben haben, Herr Ulbig, von der vom deutschen Steuerzahler finanzierten Classe politique auch umgesetzt würde, würden sich viele Diskussionen erübrigen.

Aber lieber läßt man die eigenen Landsleute „vor die Hunde gehen“, anstatt ihnen (und zwar zuvörderst!) zu helfen.
Und auch, wenn ihnen (den eigenen Landsleuten) zuvörderst geholfen würde, danach, Sie haben es in Ihrem Beispiel schon richtig geschrieben, „könnten die Eltern – wenn Zeit und Ressourcen noch vorhanden sind – fremden …“
Die Betonung liegt ganz klar auf „könnten“, nicht auf „müssen“!

Ich will und kann hier keine Prognosen und auch keine Drohungen für die Zukunft abgeben – eines aber dürfte jetzt schon absehbar sein: daran wird sich das Volk zu gegebener Zeit erinnern …

Gravatar: Gast

Hallo Herr Dr. Ulfig! Schade, dass Sie nicht gläubig sind. Damit entgeht Ihnen der meiste Spaß (die Freude am Herrn ist unsere Stärke) und Sie brauchen sich um Ihre Versorgung nicht mehr zu kümmern. Gott verspricht, dem an Jesus gläubigen zu versorgen. Damit sind alle seine Probleme gelöst. Ich kann das gut beurteilen, denn ich bin gläubig. Ach, wenn doch alle Obdachlosen gläubig wären.

J. Heinrich

Gravatar: Emmanuel Pracht

In sinnvoller Erweietrung:

Ein Christ soll seinem Nächsten helfen. Das bedeutet, dass er zuerst den Menschen aus seinem unmittelbaren Kulturkreis helfen sollte.

Gravatar: Martin Körbach

"Ein Christ soll seinem Nächsten helfen. Das bedeutet, dass er zuerst den Menschen aus seinem unmittelbaren Umfeld helfen sollte."

Das ist ja mal eine armselige Interpretation und das zu Weihnachten! Jesus würde sich dafür wohl ziemlich schämen und ich weiß auch, warum ich aus der Kirche ausgetreten bin. Ich versuche zumindest jedem zu helfen, der Hilfe braucht und darum bittet und kümmere mich nicht sonderlich um solche Wortklauberei. Gibt es eigentlich eine Stelle in der Bibel, wo Jesus so eine Unterscheidung macht?!? Würde mich wundern ...

Gravatar: Wolfgang Lieberknecht

Herr Dr. Alexander Ulfig auf dem Blog "Freie Welt" sieht als Lösung für die wachsende Armut in Deutschland, die er richtig beschreibt, nur darin, nicht mehr den Flüchtlingen zu helfen, weil sie uns weiter entfernt seien. Das kümmern um die Armut hier wäre wahre christliche Nächstenliebe.
Warum nicht bei dem anpacken, dass er auch benennt: "Die Schere zwischen arm und reich wird in Deutschland immer größer." Das hat doch mit den Flüchtlingen nichts zu tun?
Warum nicht die Milliarden eintreiben, die die Vermögenden durch Steuerhinterziehung dem Staat hinterziehen, damit könnte die Armut entschieden bekämpft werden und die Flüchtlingsunterbringung noch finanziert werden.
Warum nicht die Politik korrigieren, die durch die Umverteilung in der Krise an die Banken, die öffentliche Verschuldung hervorgerufen hat. Oder die Steuergesetze und Sozialpolitik (Renten"reform") wieder ändern, die die Armut vergrößert haben und diese Schere zwischen Arm und Reich aufgerissen hat?
Und warum nicht die Außenpolitik so ändern, dass man nicht mehr die Staaten anderer Menschen zerstört, um für die Konzerne Rohstoffe zu sichern und so Menschen in die Flucht treibt, weil sie dort nicht mehr leben können?
All dies würde den Privilegierten Geld kosten! Und da ist es doch besser, die Armen auf die eigene Seite zu ziehen, um gemeinsam die Menschenrechte zu beseitigen, und die Armut hier auf Kosten der noch existenziell Bedrohteren lösen! Es wäre die Aufgabe der Werte "der freien Welt": In der Menschenrechtserklärung haben wir sowohl das Menschenrecht auf soziale Sicherheit, Gerechtigkeit und Asyl.
Diesen menschenrechtsgefährdenden Spaltungen, die auch von Doktoren vorangetrieben werden, sollten wis uns entschieden entgegenstellen.

Gravatar: Wiener Schnitzel

Sehr treffend!
Nächstenliebe statt Nächstenhass (deutschfeindliche Verdrängungspolitik).

Ceterum censeo: Es sind keine Flüchtlinge!
Es gibt in Deutschland keinen einzigen Flüchtling - sie kommen alle aus sicheren Drittländern.
"Flüchtling" ist ein Lügenbegriff des Gegners.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang