Amoris Laetitia: Das „Nachsynodale Schreiben der Medien“

Der Papst spricht in Amoris Laetitia und in persönlichen Worten von Barmherzigkeit, interpretiert wird er im Licht der Dogmatik. Das muss schief gehen.

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Geht schon wieder los! Der Papst hat die Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene geöffnet! So lesen sich jedenfalls die Interpretationen, nein, nicht zu Amoris Laetitia, die dazu keine eindeutigen Aussagen macht, sondern zu einem Interview, das der Papst auf seinem Rückflug von der Insel Lesbos gegeben hat. Machen wir uns nichts vor: Wenn Papst Franziskus ein freies Interview gibt, dann gerät sein Sprecher, Federico Lombardi, schon im Vorfeld ins Schwitzen. Man kann ihm in manchen Bildern ansehen, wie es ihn beinahe körperlich anstrengt, die Fäden in dieser Art von Gesprächen beieinander zu halten. Aber andererseits: So ist sein Job, und dass der jetzt schwieriger ist als zu Zeiten von Papst Benedikt … so ist das Leben.

Es war schon ausgesprochen ruhig geblieben nach der Veröffentlichung von Amoris Laetitia; offenbar ist den meisten schnell klar geworden, dass das Dokument zwar viel pastoral Wichtiges, aber nichts fundamental, das heißt hinsichtlich der Kirchenlehre, Neues enthält. Die pastoralen Hinweise gingen dem einen oder anderen zu weit, die „fehlenden“ Korrekturen an der Kirchenlehre ließen andere enttäuscht zurück – Nichts Neues also für ein kirchliches Dokument in diesen Zeiten. Dafür geht jetzt eine Formulierung des Papstes durch die Presse hinsichtlich der Frage des Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen. So zitiert katholisch.de – verfälschend verkürzt – wie folgt:

Mit seinem Schreiben zu Ehe und Familie hat Papst Franziskus nach eigener Aussage für wiederverheiratete Geschiedene die Möglichkeit des Kommunionempfangs geschaffen. „Ich kann sagen ja“, antwortete er am Samstag während des Rückflugs von Lesbos nach Rom auf die Frage eines mitreisenden Journalisten, ob es für die Betroffenen nun „neue Möglichkeiten“ gebe.

Der Papst hat das genau in der Form nicht gesagt, seine Fomulierung zum „Ja“ lautete dagegen

Ich könnte schon sagen: Ja. Aber das wäre eine zu kurze Antwort.

Der Unterschied ist schon frappierend, oder? Kein Wunder also, dass der Beitrag mit „Franziskus: Kommunion für Wiederverheiratete möglich“ betitelt wurde. Richtig wird er dadurch trotzdem nicht, und es erscheint mehr als durchsichtig, dass hinter einer solchen Berichterstattung eher der Wunsch der Einflussnahme als der korrekten Wiedergabe der Papstworte steht. Nach dem Empfang der Eucharistie wurde nämlich konkret gar nicht gefragt. Um es kurz zu machen: Am besten lesen Freunde des Papstes die Erläuterungen von Kirchenrechtler Gero P. Weishaupt auf kathnews, der herausstellt:

Wer das jüngste Schreiben des Papstes über Ehe und Familie und die einschlägigen Hinweise auf das Apostolische Schreiben Evangelii Gaudium liest, der wird feststellen, dass der Papst tatsächlich auf neue Möglichkeiten einer Eingliederung der wiederverheiraten Geschiedenen in das kirchliche Leben hinweist. Doch weder im Lehrschreiben Amoris laetitia noch in dem Interview auf der „fliegenden Pressekonferenz”, noch in Evangelii Gaudium erwähnt der Papst die Möglichkeit einer Zulassung zur heiligen Kommunion.

Es bleibt also dabei: Papst Franziskus sucht weiter – und ich möchte das tatsächlich als Anerkennung seines Bemühens verstanden wissen – nach Möglichkeiten, Menschen mit Brüchen in den Lebensläufen, möglichst eng in die Kirchen einzubinden, ohne in ein Laissez-faire zu verfallen. Liest man seine entsprechenden Ansprachen und Katechesen nach, zuletzt eben auch Amoris Laetitia, dann bekommt man ein Gefühl für seinen Schmerz, der dadurch entsteht, dass viele dieser Menschen der Kirche enttäuscht den Rücken zuwenden – gerade eine wesentliche Quelle der Heilung verlassen wollen. Der Primat der Barmherzigkeit, für den Franziuskus steht, bedeutet in diesem Sinne keine Aufweichung der Lehre, aber eine maximal mögliche Auslegung des Auftrags, die Menschen, auch durch die Sakramente, zu stärken.

Dabei könnten die Journalisten diesen Zusammenhang durchaus sehen, wenn sie ihn denn sehen – oder hören – wollten. Der Papst selbst hat das im gleichen Interview auf eine Nachfrage verdeutlicht, die sich darum drehte, warum eine so wichtige Frage wie die des Kommunionempfangs nicht eindeutig in Amoris Laetitia behandelt sei:

Hören Sie, einer der jüngsten Päpste hat gesagt, als er über das Konzil sprach, daß es zwei Konzile gab: das Zweite Vaticanum, das im Petersdom abgehalten wurde, und ein anderes „Konzil der Medien“. Als ich die erste Synode einberufen habe, war die große Sorge der Mehrheit der Medien: Werden die wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion dürfen? Und da ich kein Heiliger bin, hat mich das ein bißchen genervt und mich auch ein bißchen traurig gemacht. Denn ich denke: Aber dieses Medium, das das sagt, merkt das gar nicht, daß das gar nicht das wichtige Problem ist? Merkt es nicht, daß die Familie auf der ganzen Welt in der Krise ist? Und die Familie ist die Grundlage der Gesellschaft! Merkt es nicht, daß die Jungen nicht mehr heiraten wollen? Merkt es nicht, daß die Geburtenrate in Europa zum Weinen ist? Merkt es nicht, daß Mangel an Arbeit und der Möglichkeit zu arbeiten, dazu führt, daß der Vater und die Mutter zwei Arbeiten annehmen und die Kinder allein aufwachsen und nicht lernen, im Dialog mit dem Vater und der Mutter aufzuwachsen? Das sind die großen Probleme!

Man kann jetzt über diese Sätze einfach hinweggehen, interpretieren so wie es gerade auch konservativ-papstkritische Medien tun, die ihm vorwerfen, mit seiner Fomulierung eigentlich ein deutliches „Ja“ zur Frage der Eucharistie für Wiederverheiratete gegeben zu haben. Man kann dem Papst auch, wie es selbst Wohlmeinende tun, vorwerfen, er drücke sich zu unklar aus. Unklar und unpräzise sind aber vor allem die Fragen der Journalisten, die auf ihn einprasseln, und gering ist insbesondere deren Verständnis für die wirkliche pastorale Problemlage, die durch die Frage „Kommunion oder nicht?“ nicht mal ansatzweise beschrieben ist. Der Papst spricht über Barmherzigkeit und Seelsorge, und seine Antworten werden im Licht der Dogmatik bewertet. Ja, man kann dem Papst auch vorwerfen, dass er dieses Spiel entweder nicht durchschaut oder sich entschieden hat, es zu ignorieren. Aber der eigentliche Vowurf muss sich gegen Medien und Interessengruppen richten, die offenbar gar nicht bemerken wollen, worum es dem Papst geht.

Wer bei Predigten, Ansprachen, Schreiben oder Interviews des Papstes nach Hinweisen sucht, die sich als Widerspruch oder Einschränkung der Kirchenlehre zumindest mit ein bisschen bösem Willen interpretieren lassen, der muss nicht gerade nach einer Nadel im Heuhaufen suchen; der Papst liefert hier ausreichend offene Flanken. Wer sich aber die Mühe macht, den Papst verstehen zu wollen, loszulassen von einer Interpretation wie sie bei Papst Benedikt XVI. sicher besser möglich war, der findet einen Schatz, der die Kirche noch nachhaltig bereichern wird. Womöglich sind die gerade aus konservativ-katholischen Kreisen immer wieder zu hörenden Zweifel, ob Franziskus wirklich katholisch sei, eher einer eigenen Unsicherheit geschuldet:

Wer das Pontifikat Benedikts, vor allem das Jahr des Glaubens, genutzt hat zur Vergewisserung über den katholischen Glauben, der sollte in der Lage sein, dann entspannt darauf zu schauen, wie man nun tatsächlich Menschen fischen kann: Nicht durch ein beliebiges Verteilen der Eucharistie, wohl noch viel weniger allerdings durch eine Haarspalterei, wie wir sie jetzt erleben. Dass viele Medien das so handhaben, liegt in ihrem Geschäftsmodell begründet. Wirklich schädlich wird eine solche „sprungbereite Feindseligkeit“ aber erst aus der Mitte der Kirche heraus.

Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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