Aggression

Der Absturz des deutschen Flugzeugs über den Südalpen hat die Menschen aufgerüttelt und zum Nachdenken gebracht. Mutmaßungen darüber, dass der Flieger durch den schwerst seelisch kranken Copilot zum Absturz gebracht worden sei, scheinen sich zu bestätigen.

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In das Entsetzen über das Geschehen mischt sich berechtigterweise der Ruf nach Prävention. Was muss gelernt werden aus einem solchen entsetzlichen Drama? Was lässt sich tun, um die Wahrscheinlichkeit zur Wiederholung solcher Katastrophen zu verringern. Gewiss, die Flugsicherheit muss erhöht werden. Maßnahmen dazu sind bereits unverzüglich von der Lufthansa eingeleitet worden.

Aber zwingt nicht grundsätzlich auch der nun immer häufiger auftretende Schrecken von Amokläufen dazu, über das darauf gründende Krankheitsgeschehen nachzudenken, um vielleicht doch auch hier durch rechtzeitiges Erkennen, solchen Wahnsinnskatastrophen vorzubeugen ?

Das berechtigt allerdings nicht zu einem – womöglich abfälligen - Urteilen über ein inkompetentes Beschäftigen mit dem Fall L. aus Montabaur, wohl aber grundsätzlich mit dem Phänomen Amok.

Meine langjährige Tätigkeit als Gutachter beim Jugendgericht und die Praxis als Kinder-und Jugendlichen Psychotherapeutin mögen dazu befugen, einiges über die Erscheinungsformen von Depression und Aggression – die zu diesem Krankheitsbild gehören - in der jungen Generation der vergangenen 40Jahre auszusagen.

Depresssive Erstsymptome treten heute bei vielen Kindern bereits im Vorschulalter in einer Fülle von Verhaltensstörungen in Erscheinung: Unbändige Unruhe, Dauertrotz, sich steigernde Angriffe auf andere Kinder, aber auch Beschädigung ihrer selbst durch Nägelbeißen und Haarereißen oder auch durch Extreme im Essverhalten: Essverweigerung oder Nasch-bez.Fresssucht haben hierzulande in den vergangenen Jahrzehnten einen all zu frühen und viel zu wenig beachteten Boom erfahren. Sie entstehen durch Umgangsweisen mit den Kindern in ihrer ersten Lebenszeit, wenn die natürliche entwicklungspsychologische Ausgestaltung ihres Lebens unan­gemessen und deshalb unbekömmlich ist. Da das Zeitfenster dafür in dieser Prägungsphase zunächst noch eine Angelegenheit der Biologie ist und sich mithilfe von Naturgesetzen vollzieht, ist gesunde Entfaltung des Kindes darauf angewiesen, dass die Pflegenden sich in einem nur engen Spielraum ihrer Einwirkmöglichkeit daran halten; denn sonst geht die Natur im Kind blind auf die Suche nach Ausgleich seiner naturnotwendigen Defizite. Die Natur im Kind – in Gestalt seiner Lebenstriebe - wehrt sich so unbewusst gegen das unbestimmt „Falsche“. Dadurch entsteht in dem Kind eine abwehrende Stimmung und eine abwehrende Haltung zwecks Selbstverteidigung, ein innerer automatischer unbewusster Gegenangriff und das heißt: eine Potenzierung der Aggression.

Aggressionsbereitschaft dieser Art ist in jedem gesunden Menschen vorhanden und spontan aktivierbar, sobald er das Licht der Welt erblickt hat. Als automatisch funktionierende Selbstverteidigung erstarkt sie in dem Maße, wie im Menschen innerhalb seiner Entfaltung Kraft und damit auch Aktivierungsmöglichkeiten seiner Selbstverteidigung zunehmen. Wie alle Naturtriebe funktioniert sie blind als Reaktion auf das Gefühl der Bedrohtheit des individuellen Seins. Aggression gehört zur natürlichen Grundausstattung des Menschen. Sie dient in automatisch-triebhafter Funktion der Lebenserhaltung der Geschöpfe.

Die großmächtige Natur kann ihren Lebensdienst innerhalb Naturordnung aber auch überschreiten; deshalb kann sie in jedem Menschen auch - diese Grenzen miss­achtend - eigenmächtig zu wuchern beginnen.

Deshalb hat jede Gesellschaft, die in der Geschichte der Menschheit Kultur gebildet hat, sich bei der Erziehung der Kinder um eine Einbindung des blinden Naturtriebes in ihre jeweiligen Ordnungsprinzipien bemüht. Im Christentum ist das z. B. das christliche Ethos.

Deshalb lässt sich von diesem psychologischen Grundwissen her voraussagen, dass bei Kindern die vernachlässigt werden, um deren Befriedigung der natürlichen Lebensbedürfnisse wie Liebe und Geborgenheit und um deren Bindung zunächst an eine Person, sich niemand zureichend kümmert, der ungeordnete Trieb bald zu wuchern beginnt. Vernachlässigung der Kinder wird von diesen nämlich unbewusst als Verunsicherung und damit als Angriff erlebt und mit Aggression beantwortet: „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ skandierten die verwahrlosten Gruppierungen der 60-er Jahre.

Zudem förderte die sog. „antiautoritäre Erziehung“, die ab 1965 Eingang in die westlichen Gesellschaften fand, ein Anschwellen des aggressiven Potentials in der Bevölkerung. Deshalb hat die Gewaltkriminalität in den technizistischen Gesellschaften in dem Übermaß stattgefunden, in dem den Kindern nicht zu einer gesunden Angemessenheit ihrer Erziehung verholfen worden ist, besonders da die Ideologie des Kollektivismus die Ungeborgenheit der Kinder in den vergangenen 40 Jahren enorm gesteigert hat. (1)

Wie sieht eine solche gefährliche Fehlentwicklung in ihrer psychologischen Grundstruktur im Einzelnen aus? Das möchte ich hier noch ein wenig näher ausführen: Das kleine Kind braucht in der Prägungsphase seiner Selbstbehauptung zwischen dem 2. und 5. Lebensjahr einen erheblichen Spielraum der Eigenentfaltung seines ICH. Schließlich kann es nur so die Möglichkeit seines Überlebens erhöhen. Das heißt: Ein gesunder Trotz des Kindes, eine Phase des Sich-Streitens mit seinen Geschwistern, ist während dieser Zeit, in der sich das Gehirn konstituiert, sinnvoll; denn es hat natürlicherweise Übungscharakter. Die Kunst des Erziehens besteht in dieser Phase darin, dass das Kind im Rahmen natürlicher absichernder geordneter Strukturen seinen Entfaltungsspielraum einerseits erweitert, aber andererseits die Grenzen seines Spielraums durch einschränkende Maßnahmen erfährt.

Wenn nun aber während dieser Zeit der Konstituierung des Gehirns allzu rigide – durch Einschnürung in ein Korsett von Forderungen – oder, noch gefährlicher, mithilfe von Gewalt, mit Prügelerziehung - entgegengewirkt wird, entsteht durch ein Übermaß an unnatürlicher Einschränkung der Aggression(also der natürlichen Verteidigungsbereitschaft) eine Unterdrückung dieser. Das Kind kann sich in einer Gruppe nicht hinreichend wehren. Solange der Mensch noch schwach und abhängig ist, wird er dadurch extrem fügsam. Aber die Natur im Menschen strebt - ihrer Macht auch in uns entsprechend - in natürlicher Weise nach Realisierung. Deshalb bleibt sie in einem nun in solcher Weise gehemmten Menschen wie eine Art Zeitzünderbombe erhalten und bricht - in einem Status von mehr Kraft und mehr Freiraum - dann später explosionsartig durch. Die Aggression überrennt dann gewissermaßen den Willen des Menschen.In ihm entstehen aggressive Wunschphantasien, die sich in dem Ausmaß steigern als er den Lebenserfolg mindernde Einbußen erfährt. Manchmal erlebt er sich dann – spätestens im Erwachsenenalter als jähzornig, das heißt, er dreht in einem plötzlichen Wutanfall durch. Je nach Mentalität und Ausmaß an chronischer Frustration ist hier ein Fragilwerden der Selbstbeherrschung möglich, bis zum Sadismus und bis zu Mordgelüsten. Je mehr Unverwahrtheit in der Kindheit, um so eher geht der Beeinträchtigte dann etwa ins Bandenwesen oder in den Terrorismus....

Rohe Formen von Aggression treten im männlichen Geschlecht sehr viel häufiger auf als im weiblichen. Das liegt daran, dass die Ausprägung der Geschlechter bereits im Fötalalter mithilfe von Geschlechtshormonen vor sich geht. Ein hohes Maß des männliche Geschlechtshormons Testosteron befähigt zu mehr Verteidigungs­möglichkeit. (Die größere Freude schon der kleinen Jungen am Schießen zeigt das z. B.). Das bedeutet nicht, dass auch seelisch gesunde Mädchen ein beißfreudiges ICH und die Möglichkeit zur Selbstverteidigung haben, aber östrogenbedingt zwischen dem 12. und 50. Lebensjahr in milderen, in weniger direkt sichtbaren Formen.

Je mehr also mit dem Menschen in der Kindheit unnatürlich umgegangen wird, umso mehr entsteht seelisches Unggleichgewicht, umso mehr entsteht unangemessener Umgang mit den Anderen, umso weniger Lebenserfolg, umso öfter Verzweiflung über sich selbst und mehr noch über die „bösen“Anderen und führt zu immer mehr Verlust seines Selbstwertgefühls, zu immer mehr Ausweglosigkeit. Und umso leichter verfällt der Mensch dann auch Versuchungen zum direkt Bösen, zum absichtlichen Zerstören - schließlich sogar auch seiner selbst, ja, dann auch gar nicht einmal so selten - der verzweifelte Wunsch nach „Auslöschung des ganzen Unternehmens“, wie mir einmal ein junger Mann nach einem misslungenen Selbstmordversuch per „Autounfall“ gestand: Der eigenen Vernichtung und von „möglichst vielen“ anderen, im schrecklichsten Fall etwa durch einen Amoklauf.

Ja, in der medizinischen Forschung scheint sich jetzt sogar herauszustellen:Fehlt in solcher oft langjährigen, von Verzweiflung beherrschten Stimmung die Kraft z. B. zum Suizid, so können sich dann auf dem Boden der Ausweglosigkeit nicht nur Zwangsstörungen einstellen – wie wir sie schon lange als Folge von Aggressions­hemmungen kennen - sondern sogar auch als Autoimmunkrankheiten bis zum Krebs.

Antidepressiva reichen in unserer Situation allein also als Therapie und erst recht nicht als Prävention aus, zumal das Störungspotential in unserer Gesellschaft bereits gefährlich groß ist.

Ich hoffe, dass diese Ausführungen deshalb ersichtlich gemacht haben:

Unangemessener Umgang mit dem aufkeimenden Lebenstrieb Aggression im Kinde­salter kann zu Auswüchsen der Aggression führen – durch Vernachlässigen einer natürlichen empathischen Erziehung ebenso wie durch verkünstlichte Fehlerziehung.

Die Voraussetzung, durch Erziehung eine lebensnotwendige und gleichzeitig eine geordnete, Verteidigungsmöglichkeit im Ich des Herangewachsenen zu erreichen, verlangt deshalb nach einem Wissen über die Grundgegebenheiten der menschlichen Natur.

Allerdings gilt ein solches Postulat nur , solange eine Gesellschaft Kultivierung des Menschen anstrebt. Und dieses setzt das Bedürfnis nach Beachtung der Menschen­würde jedes einzelnen Menschen voraus, wie es zu den Grundprinzipien des Christentums gehört. Gesellschaften ohne diese Voraussetzungen werden krank - ja, nicht selten kriegerisch böse. Setzt sich gar ein aggressionskranker, rigider, sadistischer Diktator durch und kommt zur Macht, so zeigt sich, dass dieser keine Schwierigkeiten damit hat ihm „unliebsames Menschenmaterial“ in Massen umzu­bringen, wie wir das in der Geschichte immer wieder beobachten können.

 Beitrag erschien auch auf: christa-meves.eu

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: EKriemler

Sehr geehrte Frau Meves

vielen Dank für diese tiefgründigen Erläuterungen. Denke Sie bestätigen die Ausführungen von Herrn Winterhoff (warum unsere Kinder Tyrannen werden).
Deutlicher kann man wohl kaum darlegen warum KITA, beide Eltern sollen arbeiten sowie der ganze Gender-Unsinn eine extrem gefährliche Entwicklung fördern.

Nein, damit sollen gewiss nicht alle Taten entschuldigt und auf die Eltern abgeschoben werden, jedoch sind auch Eltern auf ein gesundes Umfeld und einen intakten Staat angewiese.

Wenn ich mir die sogenannten Vorbilder aus Politik und Wirtschaft anschaue (und höre) wird mir Angst und Bange!

Bitte machen Sie weiter so.

Viele Grüsse

E. Kriemler

Gravatar: Richard

Also ehrlich gesagt, viel dümmer geht es nicht mehr. Und der Hinweis auf die angebliche "Konvertierung" zum Islam grenzt schon an Volksverhetzung.

Gravatar: H.Roth

Und damit sind wir wieder bei der "Schlechten Kindheit" angelangt, die den Täter ent-schuldigt und den Eltern, durch deren Versagen bei der Erziehung, die Schuld zukommen läßt. Und warum haben sie versagt? Hatten sie nicht auch eine schlechte Kindheit? Und deren Eltern? Und deren Eltern? Sind wir dann alle nur Opfer schlechter Umstände? Das Wichtige ist doch dass der Mensch erkennt, dass er für sein Handeln vor seinem Schöpfer, vor Gott, verantwortlich ist. Genau das müssen die Kinder schon früh lernen. Es ist ja nicht so, dass das Kind von Natur aus willig ist, die Autorität der Eltern anzuerkennen. Vielmehr muss es erkennen, dass Gott von ihm persönlich fordert: "Du sollst Vater und Mutter ehren". Also direkte Verantwortung vor Gott. Und wie ein Mensch vor dem Gesetz einmal strafmündig ist, so muss er auch wissen, dass Schuld nicht verschiebbar ist. Wenn man die Verbrecher im Gefängnis fragt, dann sagen sie alle, dass sie unschuldig sind. Und ein Heer von Psychologen bekräftigt sie darin, indem ihnen eine "schlechte Kindheit" zugestanden wird. Vielmehr sollte man ihnen sagen, dass sie mit ihrer Tat nicht nur vor einem menschlichen Gericht stehen, sondern auch (einmal) vor einem göttlichen, und dass jedes Verbrechen gegen Menschen auch ein Verbrechen gegen Gott ist. "Du sollst nicht töten", ist schliesslich eine Forderung Gottes aus den 10 Geboten, das gilt auch für Selbstmord.

Gravatar: Lisje Türelüre aus der Klappergasse.

Die Ausführungen von Frau Meves mögen zutreffen und wissenschaftlich begründet sein.
Sie gehen jedoch am Thema vorbei.
Das Flugzeug wurde von französischen Mirage-Jägern abgeschlossen. Deswegen gibt es keine Aufprallstelle im Felsen und Leichen und Wrackteile liegen kilometerweit verstreut.
Das Flugzeug wurde abgeschossen, weil es vom Kurs abgekommen war und entweder auf eine Staumauer oder ein Atomkraftwerk zusteuerte.
Andres Lubitz vollzog dieses Manöver, weil er zuvor - wahrscheinlich zur "Behandlung" seiner Depressionen - zum Islam konvertiert war und einen Anschlag auf die Kuffar, die Ungläubigen verüben wollte. Was ihm dann auch teilweise gelungen ist.

Gravatar: Klimax

Menschen, die Verbrechen begehen, sind nicht zwangsläufig krank.

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