Agent*In: Das Ende einer rationalen Debattenkultur

Vieles wurde diese Tage über das Online-Lexikon Agent*In geschrieben. Das Lexikon soll Informationen über „Antifeministen“ bereitstellen.

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Die Agent*In ist nach eigenen Angaben ein Antifeminismus-kritisches Online-Lexikon. Das Projekt wird von der Heinrich-Böll-Stiftung, der parteinahen Stiftung der Grünen, getragen.  „Es befindet sich im Aufbau. Wir sammeln und organisieren Wissen, Daten, Fakten und Zusammenhänge über die Einflussnahme von antifeministischen Akteur_innen auf Politik und Öffentlichkeit.“

In den Medien wurde über dieses Online-Lexikon fast ausschließlich negativ berichtet. Für Christiane Florin vom Deutschlandfunk stehen die im Lexikon aufgelisteten Namen wie „Giftstoffe“ da. Bernd Matthies vom Tagesspiegel bezeichnet das Online-Lexikon als „eine Art Verfassungsschutzbericht der Gender-Szene“. Der Publizist Henryk Broder schreibt in der Welt vom „Grünen Online-Pranger“ und dem „Geheimdienst der Grünen“. Und sogar die grüne taz kritisiert die Methoden von Agent*In.

Am interessantesten von den mir bekannten Stellungnahmen zu Agent*In finde ich den Kommentar des Volkswirtschaftlers Norbert Häring. Er fängt seinen Beitrag mit einer Bewerbung an:

„Hiermit gebe ich mich als glühender Antifeminist nach den Maßstäben der grünen Heinrich-Böll-Stiftung zu erkennen und bewerbe mich um einen Eintrag in deren Online-Pranger „Agent*In“ für solche widerwärtigen Menschen. Gleichzeitig rege ich an, zu prüfen, ob man dieser Organisation nicht irgendwie das Steuergeld entziehen kann und fordere alle anständigen Grünen auf, sich öffentlich zu distanzieren.“

Andreas Kemper, einer der Mitarbeiter an dem Projekt Agent*In, verwahrt sich gegen die Bezeichnung „Pranger“: "Wir bestrafen aber niemanden, wir haben ja auch keine Sanktionierungsmacht". Norbert Häring kommentiert diese Aussage Kempers folgendermaßen:

„Erst werden vor allem leichte Opfer aus dem konservativen Lager genommen. Denen tut es nicht weh, wenn sie im grünfeministischen Milieu einen schlechten Namen haben. Mit Leuten wie Martenstein sorgt man für gehörigen Aufruhr, damit die Liste auch bekannt wird. Dann kommen immer mehr Leute und Organisationen hinzu, die durchaus geeignet sind, aus dem grünen Milieu Einladungen zu bekommen, die aber extremen Formen des Feminismus gegenüber kritisch eingestellt sind. Man stellt sie in die - zumindest aus grüner Sicht - unappetitliche Nachbarschaft derer, die bereits den Pranger bevölkern. Dann haben Agitatoren ein prima Instrument an der Hand, um diese Leute gegenüber Einladenden schlecht zu machen, mit der expliziten oder impliziten Drohung, wenn das nicht fruchtet, die Organisatoren entsprechender Veranstaltungen selbst zu diskreditieren.

So kann man dafür sorgen, dass man sich mit Argumenten nicht mehr auseinandersetzen muss. Man hat ja diejenigen, die sie äußern, als nicht satisfaktionsfähig klassifiziert. Es sind stalinistische Methoden, die hier befördert werden, wobei natürlich die ultimative „Sanktionierungsmacht“ fehlt, die Stalin hatte. “

Und ergänzend dazu eine Stellungnahme der Erziehungswissenschaftlerin Heike Diefenbach, die sich selbst auf der Pranger-Liste befindet. Sie betont, „dass die Zeit, die mit Listen, auf denen ideologisch ´böse` zusammengestellt werden, besser dazu genutzt wäre, zu versuchen, POSITIV für die Genderideologie und deren Relevanz zu argumentieren, weshalb ich wiederum … denke, dass das anscheinend selbst in den Augen derer, die sich so gerne als pro-gender inszenieren, nicht möglich ist“.

Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Die Methoden von Agent*In bedeuten das Ende einer rationalen Debattenkultur, in der der „zwanglose Zwang des besseren Arguments“ (Jürgen Habermas) herrschen sollte.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Adorján Kovács

Die Seite ist z. Z. offline, soll aber laut einer Ankündigung wiederkommen. Da war wohl zu viel zu verbessern gewesen, als dass man die alte Seite hätte beibehalten können.
Aber die Hoffnung auf „rationale Debattenkultur“ bei links-grünen Ideologen scheint mir vergebens; da steht nämlich: „Antifeminismus ist wesentliches Element der rechtspopulistischen Ideologie und Bewegung. Zunehmend finden sich jedoch gender- und feminismusfeindliche Argumentationen in den Diskursen der gesellschaftlichen Mitte.“ Wer derart unkritisch und ungebrochen davon ausgeht, dass Genderismus und Feminismus unzweifelhaft gesellschaftlich wünschenswert und fortschrittlich seien, ist nicht mehr rational ansprechbar. Wer bereits die gesellschaftliche Mitte in die rechtsextreme Ecke rückt, ist totalitär.

Gravatar: E. Ludwig

@Norbert Schnitzler
Danke für die Darstellung Ihrer Sichtweise. Am Beispiel Ihrer Erfahrung mit dem SPD Mann und der FDP Vertreterin kann man die Wirksamkeit unklarer, schwammiger oder fehlender Definitionen von Begriffen in der Kommunikation erkennen. Ein Beispiel hierfür nenne ich den im GG definierten Artikel über die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Jeder kann diesen Text einsehen, kann sich darauf berufen und auf dem Klagewege sein Recht einfordern (angesichts der aktuellen Realitäten klingt das sehr idealistisch). Aber Gleichstellung dagegen ist Spielball von Interessengruppen und folgt dem 'Beliebigkeitsprinzip'.
So sehe ich auch die Begriffe z.B. wie Rassismus, Liberalismus, rechts, links, Verschwörungstheorie oder solche mit pathologischen Anhängsel '...phob' in der gleichen Kategorie angesiedelt und vermeide deren Verwendung.

Freundlich definierte Grüße
E. Ludwig

Gravatar: Norbert Schnitzler

Hallo E. Ludwig,

als ich von "Veröffentlichung in einem anrüchigen Portal" schrieb, meinte ich Portale, die für Agent*in anrüchig scheinen.

Für mich selbst ist das ein zweitrangiges Kriterium. PI-News, Junge Freiheit, die Achse des Guten, Tichys Einblicke usw. gelten vielen aus dem Milieu der Heinrich-Böll-Stiftung wahrscheinlich als anrüchig. Definieren kann ich das auch nicht, aber gefühlt sind meine vier Beispiele von anrüchig nach seriös sortiert. Dabei ist dieser Eindruck nicht nur durch die Beiträge, sondern auch durch die Kommentare darunter entstanden.

Ich bin bei der FES mal Staatssekretär Kelber (SPD) begegnet, habe ihn auf Maas' Gesetz gegen Hasskommentare und die Amadeu Antonio Stiftung angesprochen, mit Gedanken, die ich aus Tichys Einblicke übernahm, wurde dafür aber von ihm in die PI-Ecke eingeordnet. Eine FDP-Bundestagsabgeordnete behandelte mich 2013 so, als hätte ich gerade Auschwitz geleugnet, dabei hatte ich ihr bloß widersprochen, nachdem sie den Reichstagsbrand als Nazitat dargestellt hatte. Den halte ich doch eher für eine Tat Marinus van der Lubbes. Wie falsch andere mich einordnen, zeigt mir, dass ich auch Einordnungen bei Agent*in selbst überprüfen muss.

Noch vor der "Silvesternacht" hatte ich von einem offenen Brief des Landesfrauenrates Hessen erfahren, in dem vor massiver Gewalt gegen Frauen in Massenunterkünften gewarnt wurde. Das war aber nur im Raum Gießen in der Lokalpresse erschienen und mir dadurch entgangen, bis der Elsevier-Newsletter darüber berichtete. Meine Recherchen führten über dessen Quellen dann zum erwähnten Landesfrauenrat, der den offenen Brief aber gelöscht hatte, weil er von Rechten als Argument verwendet wurde. Aber es gab ihn noch bei PI. Die Kommentare dazu finde ich immer noch schrecklich, aber es kann doch nicht sein, dass Rechtsradikale, die das Portal frequentieren, so einen Informationsvorsprung bekommen, und liberale nicht-rassistische Menschen wie ich es gar nicht oder nur zufällig über den Umweg Niederlande (Elsevier) erfahren. Abgesehen davon können "Gutmenschen" die sich zuerst für misshandelte und missbrauchte Migrantinnen einsetzten, nach der "Silvesternacht" relativierende Vergleiche abwehren. Die Chance wurde verpasst.

Agent*in hat es selbst in der Hand, ob es sich Richtung Information oder Richtung Agitation entwickelt. Aktuell ist dieses Wiki oberflächlich und lückenhaft.

Gravatar: Gerd Schober

Bin mal gespannt was die über MGTOW schreiben.


[ Anm. d. Redaktion: Immer mehr Männer gehen ihren eigenen Weg. Zumindest auf der "Freien Welt" wurde darüber berichtet. ]

Gravatar: Theofan

Sehr geehrter Herr Dr. Ulfig,

Sie haben ja dort einen eigenen Eintrag. Darf ich Ihnen meinen Neid ausdrücken? ;)

Ich finde es allerdings in Ordnung, dass diese Abschussliste zugleich eine Art Linkkatalog ist. Wenn also jemand ernsthaft nach Informationen und Verbündeten gegen den Genderblödsinn sucht, findet er dort alles an einem Platz. Dafür ist mir dann auch (fast) mein Steuergeld nicht zu schade)))

Gravatar: E. Ludwig

Sorry, Gernot Radtke, gemeint waren nicht Sie, sonder der Kommentator
@ Norbert Schnitzler.

Gravatar: E. Ludwig

@Gernot Radtke

Zitat: Eine Veröffentlichung in einem anrüchigen Portal oder Blatt (Junge Freiheit) kann inhaltlich trotzdem informativ oder diskussionswürdig sein.

Frage: Was bedeutet denn für sie 'anrüchig'?
Ich bin nicht Abonnent der Jungen Freiheit, schaue aber auch in die Online Nachrichten rein und entdecke so manches was man in anderen Medien NICHT lesen.
kann.
Bin ich deshalb auch ein anrüchiger Leser?

Anrüchungsfreie Grüsse
E. Ludwig

Gravatar: Norbert Schnitzler

Bevor ich einen Vortrag, eine Ringvorlesung oder eine Konferenz besuche, pflege ich mich über die Person(en) zu informieren, der / denen ich dort zuhöre. Vielleicht kaufe ich sogar noch vorher deren Bücher im Onlineantiquariat. Grundsätzlich freue ich mich, wenn ich etwas mehr über die Ansichten weiß, bevor ich sie höre. Das gilt für Gender, für den Ersten Weltkrieg, für Armut... also für beliebige Themen.

Gelegentlich lese ich von Angriffen und Unterstellungen, z.B. gegen Herfried Münkler, aber das kann das Interessen noch steigern.

Eine solche Sammlung wie Agent*In halte ich deshalb für hilfreich, obwohl ich auch in dieses Wiki gehöre. Es ist so legitim wie ein Lobbyistenregister, wie ein Buch, das die Verbindungen zwischen Union und rechtem Rand z.B. um Filbinger aufdeckte oder Informationen über salafistische Prediger und Moscheen und die bereits aus ihnen hervorgegangenen Attentäter.

Was sich aus allgemein zugänglichen Quellen ergibt, z.B. aus Veröffentlichungen, darf auch HBS oder GWI gerne sammeln, zusammenfassen und als Ergebnis veröffentlichen. Immerhin veröffentlichen sie keine Adressen, die man mal besuchen soll.

Was aber stört, sind vereinfachte Einordnungen wie "MaskulinistIn" oder "AntifeministIn". Für die Stasi waren alle Gegner "feindlich negative" Kräfte. Es unterscheidet zu wenig. Was bedeutet etwa "ultrakatholisch"? Sowohl Birgit Kelle als auch Gabriele Kuby werden so bezeichnet. Ich halte die beiden für ganz unterschiedlich seriös. Kuby kann man eher mit Eva Herman (Artikel fehlt) zusammenpacken, Kelle bringt immerhin ernsthafte Argumente.

Außerdem sollten Vermutungen unterbleiben. Bei Wikipedia will man die auch nicht. Ein Beispiel "... scheint Kontakte zu ... zu haben" Veröffentlichungen sollten nach dem Inhalt bewertet werden. Eine Veröffentlichung in einem anrüchigen Portal oder Blatt (Junge Freiheit) kann inhaltlich trotzdem informativ oder diskussionswürdig sein. Aber auch ein Eintrag bei http://www.agentin.org kann informativ sein.

Gravatar: Gernot Radtke

98% des Budgets der Heinrich-Böll-Stiftung, der das Gunda-Werner-Institut, in der Tat ein Denunziationspranger für unliebsame Journalisten und Publizisten, angeschlossen ist, stammen aus öffentlichen Quellen (Steuergelder), Summe pro Jahr: gut 50 Millionen. Für die Antifa und ähnliche Demokratieförderer fließen 100 Millionen aus dem Steuersäckel. Wer sich fragt, warum diese linken Drecks- und nicht nur Pflastersteinschleuderer überhaupt ihr bösartiges Unwesen treiben können, kann die Antwort leicht finden. - So weit haben die Roten und Grünen den Staat schon verhunzt, daß er für die Dauerinszenierung von Gewalt und ideologischer Vermüllung auch noch bezahlen muß. Apropos Hamburg: dort sind für den Ausgleich der von der Antifa anläßlich G20 angerichteten Schäden 40 Millionen zu bezahlen. Nicht von den Verursachern, nein, vom Bürger. Das ist linke Moral für linke Weltrettung in Merkels linkem Tugendstaat.

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